Richtig ist relativ. Wie also richtig verorten? Lässt sich das überhaupt beantworten? Es sind Fragen wie diese, die Crowdsourcing erst interessant machen. Gerade die unterschiedlichen Sichtweisen vieler Beteiligter ergeben das große Ganze.

Foto: Finding Dan | Dan Grinwis / Unsplash

Seit dem Launch der Aufgabe „Verortung bewerten“ haben uns immer wieder Rückfragen von UserInnen erreicht, wie man die nachgefragte passendste Verortung eines Bildes identifizieren soll, damit die Aufgaben „Verorten“ und „Verortung bewerten“ akkurat und „richtig“ erfüllt werden können. Diese Thematik möchten wir im Folgenden näher betrachten.

Grundsatzfrage Verorten: Abgebildeter Ort oder Aufnahmeort?

Soll verortet werden, was abgebildet ist, oder suchen wir den Aufnahmeort eines Bildes? Für Bilder der Crowdsourcing-Kampagne „Österreich aus der Luft“ kann diese Grundsatzfrage eindeutig beantwortet werden: Das Gezeigte soll verortet werden. Ein wichtiges Ziel der Crowdsourcing-Initiative ist es, die Bilder mit Beschreibungen anzureichern, damit die Suche nach der Ressource Flugbild künftig allen BenutzerInnen erleichtert wird. 

Jede/r UserIn nimmt bei der Betrachtung eines Fotos andere Qualitäten und Eigenschaften im Bild wahr. Das wirkt sich in der Folge darauf aus, wie und – vor allem – was verortet wird. Das Projektteam hat die von UserInnen in der Aufgabe „Verorten“ eingebrachten Kartenmarker bereits allgemein gesichtet – mit der Erkenntnis, dass diese Beiträge Zeugnis individueller Interpretationen der Luftbilder sind. Diese diversen Sichtweisen auf das Bildmaterial und die zugrundeliegende diskursive Natur der Initiative sind triftige Gründe dafür, warum Crowdsourcing als Instrument der Erschließung so reizvoll ist.

Die Kopplung der Aufgaben

Unser Anspruch, der Crowd in unserer partizipativen Initiative ein hohes Maß an Verantwortung zu übergeben, soll sich auch in der Gestaltung der Crowdsourcing-Aufgaben widerspiegeln. Im vorangehenden Blogartikel [1] ist dazu festgehalten:

Also haben wir es Ihnen – den Beitragenden – überlassen, bei jedem Bild eine höchst individuelle Entscheidung zu treffen und den Ort, den ein Luftbild zeigt, mit einem Kartenmarker (auch: Pin) zu markieren.

Speziell die beiden Crowdsourcing-Aufgaben „Verorten“ und „Verortung bewerten“ sind inhaltlich eng miteinander verwoben. Die Ortsmarkierungen oder Kartenmarker, die von den UserInnen gesetzt worden sind, werden auf der Crowdsourcing-Plattform in der Aufgabe „Verorten“ gesammelt. Sie können nach dem Absenden nicht mehr verschoben werden. Sichtbar und zur Qualitätssicherung freigegeben werden die eingebrachten Kartenmarker in der aktuellsten Aufgabe „Verortung bewerten“. In dieser soll sich einer der Kartenmarker als die „passendste“ Verortung herauskristallisieren.

In der Aufgabe „Verorten“ werden also Beiträge von UserInnen gesammelt – in der dazugehörigen Aufgabe „Verortung bewerten“, werden Beiträge überprüft. Diese Trennung in zwei separate Tätigkeiten hat sich in der Konzeptionsphase der Crowdsourcing-Aufgaben zu einer zentralen Idee entwickelt, denn sie erlaubt ein vereinfachtes User Interface. Dadurch soll fokussiertes, ablenkungsfreies Arbeiten ermöglicht werden.

Ähnlich verhält es sich mit der geplanten engen Kopplung des Aufgabenpaars „Tagging“ und „Tags überprüfen“. Die neue Aufgabe „Tags überprüfen“ wird voraussichtlich im Frühherbst 2020 veröffentlicht werden.

Verorten in Praxisbeispielen

So weit die generellen Überlegungen für das Verorten, das auf der Crowdsourcing-Plattform mittels zwei Aufgaben durchgeführt wird. Nur, welche Prinzipien lassen sich hier für die Praxis ableiten? Lässt sich „das Gezeigte“ eindeutig und punktuell auf der Karte einzeichnen? Wie lässt sich die Verortungsaufgabe durchführen, wenn auf einem Bild eine ganze Gemeinde oder ein Stadtteil zu sehen ist? Warum gibt es keine Möglichkeit, Flächen zu verorten?

Im Folgenden führen wir drei Beispiele an, die sich diesen Themen nähern und wiederkehrende Muster behandeln. Sie zeigen einerseits, welche Fragen sich bei der Bearbeitung der Aufgaben stellen können, und andererseits, welche Überlegungen des Projektteams die Gestaltung der Aufgaben geleitet haben.

Beispiel 1: Eine Panoramaaufnahme ohne Bewertungen

Bei wohl hunderten Bildern der Kampagne „Österreich aus der Luft“ handelt es sich um weitwinklige Fotografien – Panoramaaufnahmen ganzer Landschaften. Wie könnte hier die von uns gesuchte „passendste“ Verortung aussehen?

Gerade bei Panoramaaufnahmen würden es sich wohl anbieten, das auf dem Bild Gezeigte als Fläche auf einer Landkarte einzuzeichnen. Zwar haben wir im Projektteam diese Möglichkeit in Betracht gezogen, uns aber dafür entschieden, eine einheitliche punktuelle Verortung mittels Kartenmarkern anzubieten, die für alle Bilder – unabhängig von Motiv und Aufnahmewinkel – gleich funktioniert und in kürzerer Zeit durchzuführen ist. Für eine komfortable Durchsuchbarkeit der Bilder erachten wir die punktuelle Verortung ebenso als geeigneter.

Sehen wir uns dafür beispielhaft an, welche Kartenmarker in der Aufgabe „Verorten“ für folgende Szenerie des Gebiets zwischen Mondsee und Irrsee beigetragen worden sind:

Das Gebiet zwischen Mondsee und Irrsee – AF 7.027

Zwar haben wir in der Aufgabenstellung nicht explizit nach der „markantesten Stelle“ in einem Bild gefragt, trotzdem fällt in diesem Beispiel auf, dass kein/e UserIn einen Kartenmarker auf den Irrsee oder den Ort Mondsee gesetzt hat. UserInnen haben Marker vorrangig auf das Gebiet zwischen den beiden Seen platziert.

Empfehlung für die Aufgabe „Verortung bewerten“:

Welchen Marker würden wir nun, als Projektteam, für die Bewertung als „passendsten“ wählen? Als erste grobe Orientierung hilft ein Blick auf die dazugehörige Bildbeschreibung, die in dieser Aufgabe eingeblendet werden kann. [2] Auf dieser ist zu lesen, dass das Gebiet zwischen Mondsee und Irrsee auf dem Bild zu sehen ist. Zwar können wir die Korrektheit der Bildbeschreibung nicht immer gewährleisten, ein kurzer Vergleich der abgebildeten Topographie mit der eingeblendeten Landkarte macht uns aber sicher: Die gezeigten Kartenmarker sind allesamt einwandfrei platziert, wir müssen uns nun für einen aus dieser Menge entscheiden. Daher empfehlen wir, den Kartenmarker auf halbem Weg zwischen den Seen mit Pluspunkten zu versehen. Unsere Empfehlung ist als subjektive Einschätzung zu verstehen und ist einem gewissen Hang zu Symmetrie geschuldet. Selbstverständlich sei auch an dieser Stelle betont, dass wir Sie dazu ermutigen möchten, Ihrer eigenen Einschätzung zu folgen. Schreiben Sie uns dazu gerne Ihre Gedanken an crowdsourcing@onb.ac.at.

In Kürze:

  • Bildbeschreibung lesen, um eine grobe Orientierung zu erhalten
  • Bei fehlender Ortskenntnis Landkarte oder Satellitenbild konsultieren
  • Markante Punkte im Bild identifizieren

Beispiel 2: Eine Panoramaaufnahme mit Bewertungen

Wie verhält es sich mit Panoramaaufnahmen, für die bereits Bewertungen vorliegen? Sehen wir uns ein Beispiel aus Wien Leopoldstadt an: 

Eine Wohnhausanlage am Handelskai in Wien Leopoldstadt – AF 3.058

Ein interessanter Fall, denn in diesem Beispiel befinden sich zwei adjazente Gruppen von Kartenmarkern auf der Landkarte. Nun ist es notwendig, die Angelegenheit genauer zu betrachten und beide Häufungen von Kartenmarkern mit der Satellitenansicht zu vergleichen. Dazu vergrößern wir die Karte. Die auf der historischen Luftaufnahme abgebildete Wohnhausanlage ist auch auf der aktuellen Satellitenkarte noch gut zu erkennen:

Mittels eines Satellitenbildes, das auf der Plattform eingeblendet werden kann,
ist eine Überprüfung leichter möglich, als in der „normalen“ Kartenansicht.

Auch hier ergeben sich interessante Fragestellungen und Interpretationsmöglichkeiten: Warum wurde ein Kartenmarker beispielsweise in den Innenhof einer Wohnhausanlage gelegt? Warum ein anderer auf das Dach ebendieser? Was lenkt unser Auge? Diese und weitere Fragen würden in das Gebiet der Gestaltpsychologie führen, die sich unter anderem damit befasst, wie es uns die menschliche Wahrnehmung ermöglicht, Strukturen in Bildern zu identifizieren und zu interpretieren. [3] Wir möchten an dieser Stelle aber vorrangig praktische Beispiele und mögliche Ansätze aufzeigen.

Empfehlung für die Aufgabe „Verortung bewerten“:

In diesem Beispiel ist jeder dieser fünf Kartenmarker aus dem nördlichen Cluster an sich „richtig“ platziert, frei nach unserer Maxime, dass wir das Abgebildete auf einer Karte suchen. Die vergebenen Marker liegen in realen Maßstäben nur einige Meter auseinander. Wenn man die Beschreibung der Bilder zur Orientierung mit einbeziehen will – auch in diesem Beispiel ist sie hilfreich – wird der „Janecekhof“ und der „Robert-Blum-Hof“ genannt. [4] Vier Marker finden sich auf letztgenannter Wohnhausanlage. Daher empfehlen wir, den bereits mit sechs Punkten versehenen Kartenmarker mit weiteren Pluspunkten zu versehen.

In Kürze: 

  • Bildbeschreibung lesen, um eine grobe Orientierung zu erhalten
  • Ggf. von Kartenansicht auf Satellitenansicht wechseln
  • Stärken von bereits mit Pluspunkten versehenen Markern

Beispiel 3: Ein Einzelobjekt mit mehreren richtigen Kartenmarkern

Wie soll man nun damit umgehen, dass für ein gesuchtes Bild mehrere Kartenmarker eingezeichnet worden sind, die großteils auf demselben Einzelobjekt platziert sind? Ein Beispiel dafür ist der „Strindberghof“ in Wien Simmering. Auf der Karte sind bereits einige Marker eingezeichnet. Für einen davon ist die Zahl „9“ samt einem Stern angeführt. „9“ bedeutet in diesem Fall, dass insgesamt bereits neun Pluspunkte in der Aufgabe „Verortung bewerten“ zugeteilt worden sind.

Der Strindberghof in Wien Simmering – AF 6.699

Interessant ist weiters die Frage, warum ein/e UserIn den Marker in der Aufgabe „Verorten“ genau so platziert hat. Handelt es sich um eine Art „Mittelpunkt“ in dieser Wohnhausanlage? Wenn nein, warum wurde dieser nicht gewählt? War ein anderer visueller Ankerpunkt, der die Wahrnehmung und somit die Verortung geleitet hat, prominenter? Das sind unter anderem Fragen, mit denen wir uns als Projektteam beschäftigen und die für die weitere Konzeption der Plattform von hoher Wichtigkeit sind. Denn auch für uns stellt die Crowdsourcing-Initiative ein Lernen von Aufgabe zu Aufgabe dar.

Zahlreiche Marker finden sich im Innenhof der Anlage.

Empfehlung für die Aufgabe „Verortung bewerten“:

Wenn man also als UserIn den Strindberghof in Simmering als das Hauptmotiv des Bildes, als markante Stelle verorten möchte (und nicht den nahen Hyblerpark), dann sollte man einen Kartenmarker wählen, der das Wohnhaus auf der Karte verortet. Wir vertrauen darauf, dass sich mehrere Bewertungen durch die Crowd zu einem passenden Kartenmarker verdichten. Wenn schon ein Marker in der Gegend vorliegt, dann wäre es auch ratsam, einen Marker zu wählen, für den bereits andere BenutzerInnen votiert haben. Es steht Ihnen aber selbstverständlich frei, einen anderen Marker zu wählen.

In Kürze: 

  • Bildbeschreibung lesen, um eine grobe Orientierung zu erhalten
  • Suchen einer markanten Stelle im Bild
  • Ggf. von Kartenansicht auf Satellitenansicht wechseln
  • Stärken von bereits mit Pluspunkten versehenen Markern

Resümee und Diskussion

  1. Was suchen wir in Aufgabe „Verortung bewerten“? In dieser Aufgabe suchen wir den passendsten Kartenmarker für ein Bild. Nicht der Aufnahmeort wird gesucht, sondern das Gezeigte. 
  2. Wie verorte ich richtig in Aufgabe „Verorten“? Als erste Orientierung dient die Bildbeschreibung, die auf der Karte eingeblendet werden kann. Sie liefert Indizien über das Gezeigte, ist aber nicht immer zwingend korrekt. Ihr Wissen ist daher gefragt: Wir laden Sie explizit dazu ein, andere, mitunter auch der Bildbeschreibung widersprechende Verortungen beizutragen, wenn diese Ihrer Einschätzung nach akkurater sind.
  3. Woher stammen die Kartenmarker in der Aufgabe „Verortung bewerten“? Der Input dafür stammt aus Aufgabe „Verorten“. Jeder Kartenmarker wurde von eine/r UserIn auf der Karte gesetzt. Die Aufgabe „Verorten“ ist bereits ca. zehn Monate vor dem Start der Qualitätssicherung veröffentlicht worden, die mit der Aufgabe „Verortung bewerten“ begonnen hat. Das Projektteam hat keine Kartenmarker aussortiert.
  4. Warum werden nahe Kartenmarker nicht zu einem zusammengefasst? Diese Vorgehensweise hätte zu einer Art „Rundungsfehler“ geführt und hätte der Maxime widersprochen, dass das Projektteam nicht in die Erschließung durch die Crowd eingreift.
  5. Warum zeigen manche Kartenmarker Ortsnamen und andere nur Koordinaten? Das hängt mit der Art und Weise zusammen, wie ein Marker von UserInnen eingezeichnet worden ist. Die Marker mit Ortsnamen stammen aus der Normdatenbank Geonames [5] – sie sind also in der Suche in der Aufgabe „Verorten“ gefunden und so referenziert worden. Andere wiederum sind manuell auf der Karte platziert worden. In diesem Fall werden auf der Plattform und bei der Bewertung Koordinaten angezeigt.
  6. Welchen Nutzen haben Normdatenbanken?
    In der von uns verwendeten Normdatenbank Geonames haben u. A. Gebäude, Landschaften, Gebirge, Wälder, Seen, jeder politischer Bezirk sowie jedes Bundesland einen eindeutigen Referenzwert. Gründe für die Verwendung von Normdatenbanken sind einheitliche Schreibweisen, Kompatibilität und Nachnutzbarkeit.
  7. Warum kann ich für ein spezielles Bild die Aufgabe „Verortung bewerten“ nicht durchführen? Das kann zwei Gründe haben: Liegt noch kein Kartenmarker vor, kann für dieses Bild die Aufgabe „Verortung bewerten“ nicht ausgewählt werden. Sie können nur einmal pro Bild bewerten. Wenn Sie also bereits einen Marker eines Bildes bewertet haben, können Sie dieses Bild nicht mehr in der Aufgabe „Verortung bewerten“ auswählen.
  8. Was mache ich, wenn ich keinen passenden Kartenmarker in der Aufgabe „Verortung bewerten“ finde? In diesem Falle ersuchen wir Sie, ggf. in die Aufgabe „Verorten“ wechseln und selbst einen neuen Marker einzutragen. Ihr Beitrag steht dann anderen UserInnen zur Bewertung offen.
  9. Welchen Kartenmarker soll ich bewerten, wenn ich zwischen mehreren schwanke? Gibt es bei potentiell passenden Kartenmarkern bereits vergebene Punkte und empfinden Sie alle Marker als gleich gut geeignet, empfehlen wir als Entscheidungshilfe, jenen zu bewerten, der bereits Pluspunkte erhalten hat. Diese Vorgehensweise trägt dazu bei, dass sich aus vielen ähnlich platzierten Kartenmarkern ein „Favorit“ der Crowd herauskristallisiert.

Anmerkungen

  1. Weitere Überlegungen zur „richtigen“ Verortung können Sie in unserem Beitrag „Luftbilder und Verortungen“ nachlesen.
  2. Siehe Bildbeschreibung von AF 7.027
  3. Der Wikipediaeintrag zur Gestaltpsychologie ist unter https://de.wikipedia.org/wiki/Gestaltpsychologie nachzulesen.
  4. Siehe Bildbeschreibung von AF 3.058
  5. Normdatenbank Geonames.org