Der Lebensraum, den wir Menschen heute besiedeln, wurde über die Jahrhunderte nicht nur von Klima und Witterung beeinflusst, sondern auch über viele Generationen von Menschen geprägt. Eine Möglichkeit, diese Entwicklungen zurückzuverfolgen, sind Luftbilder. Anhand von Luftaufnahmen lassen sich Veränderungen in städtischen Gebieten sowie der natürliche Wandel der Umwelt beobachten.
Österreichs Luftbildfotografie nahm ihre Anfänge in den späten 1920er Jahren, als die damalige Fluggesellschaft „Österreichische Luftverkehrs Aktiengesellschaft (ÖLAG)“, ihre erste eigene Luftbildabteilung gründete. Diese hatte die Aufgabe, sowohl Senkrechtaufnahmen (Orthofotos) für das Vermessungswesen als auch Schrägluftbilder für den Fremdenverkehr aufzunehmen. Die Bilder liegen heute teils im Österreichischen Staatsarchiv und teils im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Luftaufnahmen, die nach 1949 geschossen wurden, sind im Luftbildarchiv des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen (BEV) zu finden.
Die ÖLAG gründete 1928 ihre erste eigene Luftbildabteilung und charterte zugleich auch ihr erstes speziell ausgerüstetes Flugzeug, eine sogenannte Fotomaschine, von der Deutschen Luft Hansa (ab 1934 „Deutsche Lufthansa“ geschrieben). Diese war fünf Jahre lang im Einsatz, bis die Luftbildabteilung im Jahr 1933 wegen wirtschaftlicher und finanzieller Schwierigkeiten wieder aufgelöst und die Fotomaschine wiederverkauft wurde. Während dieser Zeit entstanden in Zusammenarbeit mit dem BEV 10. 920 Orthofotos und 7.000 Schrägaufnahmen – davon sind 5.000 Schrägaufnahmen auf der heutigen Crowdsourcing-Plattform der Österreichischen Nationalbibliothek zu finden.
Befliegung des Bundesgebietes
Im Auftrag des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen wurde das gesamte Bundesgebiet zwischen 1949 und 2009 alle sieben bis zehn Jahre überflogen. Zu jener Zeit hatte das BEV noch zwei eigene Flugzeuge (Pilatus und King Air mit dem Heimatflughaften Schwechat) sowie mehrere Piloten im Einsatz. Aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklungen und der Unwirtschaftlichkeit dieser Lösung, beschloss das BEV im Jahr 2010, die eigenen Flugzeuge zu verkaufen und den Flugbetrieb einzustellen. Stattdessen folgten öffentliche Ausschreibungen für die Befliegung des Bundesgebietes. Die externe Ausschreibung ermöglichte kürzere Intervalle und eine genauere Erfassung der Gebiete, da externe DienstleisterInnen mehrere Gebiete gleichzeitig abdecken und dadurch Ressourcen besser nutzen können. Seit dem Jahr 2010 erfolgt die Befliegung des gesamten Bundesgebietes im 3-Jahres-Zyklus. Dabei werden jährlich durchschnittlich 60.000 digitale Luftbilder geschossen. Abhängig von der vorhergesehenen Auswertung der Luftbilder werden die Fluglinien für den Bildflug genau in Lage und Höhe geplant. Möchte man ein größeres Gebiet systematisch abdecken, werden meist parallele Streifen mit Überdeckung der Aufnahmen geflogen. Dies ermöglicht dreidimensionale Messungen, da jedes Objekt auf mindestens zwei Bildern abgebildet ist. Heutzutage werden die Luftbilder automatisch mit 80% Überdeckung geschossen, wohingegen im Jahr 1960 nur mit 60% Überdeckung aufgenommen werden konnte. Damals wie heute besteht die Schwierigkeit darin, eine bestimmte Flugbahn exakt einzuhalten. Wurde früher mit speziell präparierten Flugzeugen und einer integrierten analogen Luftbildkamera geflogen, so wird heute mit speziellen Fotoflugmaschinen ohne FotografIn geflogen. Die Bilder werden dabei mit großformatigen digitalen Luftbildkameras aufgenommen.
Die damaligen analogen Luftbilder waren abhängig von der geplanten Anwendung in Schwarz-Weiß-, Farbpositiv-, Farbnegativ- oder Infrarot-Farbpositivfilm verfügbar. Die gegenwärtigen digitalen Luftbilder, welche mit großformatigen digitalen Luftbildkameras aufgezeichnet werden, sind in den Farbkanälen RGB (Rot, Grün, Blau), NIR (nahes Infrarot) und PAN (panchromatisch) verfügbar. Die Aufnahme der Fotos in mehreren Kanälen bietet den Vorteil, dass im Nachhinein mehrere Produkte daraus abgeleitet werden können – so wie etwa Falschfarbenfotos, die bei der analogen Fotografie noch separat angefertigt werden mussten.
Das große Warten auf das perfekte Bildflugwetter
„So ein gutes Flugwetter zu erwischen ist gar nicht so leicht und leider gibt es auch nur wenige Gelegenheiten im Jahr. Wenn wir alles zusammen zählen, haben wir nur ca. 25 Flugtage im Jahr, wo wir diese Luftaufnahmen durchführen können. Beim Bildflugwetter darf keine einzige Wolke am Himmel sein, kein Schnee und auch kein Dunst“, erzählt Bernhard Jüptner, Marketingleiter des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen. Gerade in Österreich ist das ideale Flugwetter oft schwer zu finden, da hier im Land oft eine Stauwetterlage vorzufinden ist – so bleiben beispielsweise Wolken am Alpenhauptkamm „hängen“, was das Fotografieren nach einem Wetterumschwung unmöglich macht.
Nutzung der Luftbilder
Neben großen Unternehmen, wie der OMV, Asfinag oder Mülldeponie Steiermark, zählt auch die Stadt Wien zu den NutzerInnen der Luftbilder des BEV. So nutzte die OMV beispielsweise die Luftbilder, um die Verlegung Ihrer Gasleitungen zu planen. Die Asfinag benötigte wiederum Luftbilder von den Auf- und Abfahrten der Autobahnen aus den Jahren 1982–1984, um die Veränderungen der letzten Jahrzehnte zu verfolgen.
Die Mülldeponie in der Steiermark hingegen benötigte die Luftaufnahmen für die Altlastenerhebung und die Stadt Wien für die Stadtvermessung. Die analogen historischen Aufnahmen werden außerdem noch für Gemeindechroniken und andere historische Recherchen, wie etwa Flurbereinigungen oder die Suche nach Bombenkrater, benötigt. Auch nach Hochwasserschäden kommen die Luftaufnahmen zum Einsatz – mit Hilfe der Fotos kann beispielsweise der ursprüngliche Verlauf von Flüssen rekonstruiert werden. Doch oft kommt es auch vor, dass Privatpersonen historische Luftbilder benötigen. „Wir bekommen ca. zehn externe Anfragen pro Woche und in unser Kundencenter kommen ungefähr zwei bis drei Personen die Woche, um sich die Luftbilder persönlich anzusehen. Oft geht es dabei um Angelegenheiten wie Grundstückstreitigkeiten – so können zum Beispiel historische Gegebenheiten vor Gericht bewiesen werden“, sagt Bernhard Jüptner.
Aus den digitalen Luftbildern entstehen unter anderem digitale Oberflächenmodelle, Orthofotos und digitale Landschaftsmodelle. Das digitale Oberflächenmodell stellt die Vegetations- und Bebauungsoberfläche dar und beschreibt die Erdoberfläche samt allen darauf befindlichen Objekten – so als würde man ein Tuch über die Erdoberfläche legen. Aus Luftbildern (mit Einbeziehung des Geländemodells) entstehen außerdem Orthofotos, die eine verzerrungsfreie und maßstabsgetreue Abbildung der Erdoberfläche darstellen, was eine verzerrungsfreie Messung ermöglicht. Aus diesen Orthofotos erfolgt dann die Messung des digitalen Landschaftsmodells, das über die die Topographie und Topologie eines Gebietes informiert.
Der heutige Bestand
Derzeit befinden sich ca. 450.000 analoge Luftbilder im Besitz des BEV, wobei die Bilder laufend digitalisiert werden (oft auch anlassbezogen nach Kundenanfragen). Alle Aufnahmen wurden zwischen 1949 und 2010 geschossen. Diese sind als Kontaktkopien im Kundencenter des BEV vorzufinden. Die Originalaufnahmen befinden sich aktuell als Glasplatten im Archiv.
Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung durch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV).
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